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Die ganze Region im Stadtbahnfieber – bis auf die Klosterstadt Maulbronn!

Pressemitteilung VCD Pforzheim Enz, 18. August 2003

Mit dem Spatenstich am Ölbronner Stadtbahn-Haltepunkt und den begonnenen Bauarbeiten am Haltepunkt Mühlacker-Rößlesweg setzen diese beiden Enzkreis-Kommunen ein deutliches Zeichen für eine Förde­rung des öffentlichen Personenverkehrs auf der Schiene. Auch Knittlingen mit seinen Überle­gungen zu einer Stadtbahn-Strecke und dem geplanten Haltepunkt in Kleinvillars setzte in den vergangenen Jahren deutliche Signale für die Stadtbahn.

Im 150sten Jahr des Bestehens der Bahnlinie und 12 Jahre nach der Stillegung des Haltepunktes Ölbronn durch die Deutsche Bundesbahn Ende Mai 1991 ist nun eine Renaissance des Nahverkehrs zwischen Bretten und Mühlacker unverkennbar“, kommentiert Matthias Lieb, Kreisvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland (VCD) die Entwicklung.

Ende Mai 1991 wurden die Haltepunkte Ruit, Ölbronn und Maulbronn-West letztmals von Zügen der Bundesbahn angefahren – kurze Zeit später wurden die vorhandenen Bahnsteigeinrichtungen abgerissen – heute müssen diese mit hohem Kostenaufwand wieder hergerichtet werden – allerdings an für die Fahrgäste günstiger gelegenen Standorten.

Ein kurzer Rückblick über die letzten Jahre:

Am 16. Juni 1996 organisierte der VCD zusammen mit dem Fahrgastverband PRO BAHN Nord­schwarzwald erstmals Stadtbahn-Schnupperfahrten mit finanzieller Unterstützung aller Kommunen entlang der Strecke zwischen Mühlacker und Bretten – übrigens stimmte der damalige Fahrplan fast auf die Minute genau mit dem heutigen Fahrplan der S 9 überein.

Diese Stadtbahn-Schnupperfahrten und das Engagement der Kommunen entlang der Strecke führten bei der Neuregelung des Nahverkehrs 1999 zur Einrichtung der stündlichen Stadtbahn-Linie S 9 zwischen Mühlacker, Bretten und Bruchsal.

Zuerst profitierte nur Ötisheim von dieser Stadtbahn – hier zeigte sich die vorausschauende Kom­mu­nalpolitik der Gemeinde Ötisheim, die 1991 durch die Übernahme der Bahnsteig­unter­haltungs­kosten den Erhalt weniger Zughalte erreichen konnte – mit der Folge, dass 1999 alle Stadtbahnen auch dort halten konnten.

Still und heimlich wurden in den letzten vier Jahren neue Haltepunkte in Ruit und in Bretten-Rechberg mit finanzieller Beteiligung der Stadt Bretten gebaut (damit bestehen auf dem Gebiet der Stadt Bretten jetzt 12 Stadtbahn-Haltepunkte – zu DB-Zeiten gab es nur 5 Bahnhöfe).

„Betrachtet man diese Entwicklung so fällt auf, dass nur Maulbronn abseits steht und keine Bemühungen erkennen lässt, an die Stadtbahn angeschlossen zu werden. Alle diesbezüglichen Vorschläge wurden in der Vergangenheit ohne genaue Prüfung beiseite gelegt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang“, so Matthias Lieb, „dass der heutige Bahnhof Maulbronn-West 1853 der einzige Bahnhof zwischen Mühlacker und Bretten war. Die übrigen Gemeinden erhielten ihren Bahnanschluss erst rund 40 Jahre später. Während das damalige Oberamt Maulbronn Wert auf eine gute Anbindung gelegt hatte und von Maulbronn-West aus Postkutschen zur Stadt fuhren – natürlich abgestimmt auf den Zugfahrplan – geht es dem heutigen Reisenden, der in Maul­bronn-West aus der Stadtbahn steigt, wie weiland Hermann Hesse. Der ehemalige Maulbronn-Seminarist schrieb 1914: 'Zum erstenmal wieder .. fuhr ich mit der kleinen Bahn durch die sommerlichen Waldhügel der Maulbronner Gegend, stieg an der verschlafenen Haltestelle aus und wanderte durch den feuchten, moorigen Wald nach Maulbronn hinüber.' Auch heute lässt Maulbronn seine Besucher des UNESCO-Weltkulturerbes an der verschlafenen Station aussteigen und durch den feuchten, moori­gen Wald laufen. Denn im Gegensatz zu 1853 gibt es heute keine Postkutsche mehr – aber auch kein Bus fährt den Westbahnhof an.

Dabei könnte Maulbronn die 1914 gebaute und heute fast brach liegende Bahnlinie bis ins Zentrum der Stadt in das Stadtbahn­system einbringen und dann am meisten von dieser Linie profitieren. Doch das Desinteresse in Maulbronn ist groß – lieber setzt man großzügig am Westbahnhof Planungs­kosten in Höhe von EUR 90.000 in den Sand, als dass man sinnvolle Lösungen zur Anbindung der Stadt erarbeiten würde.

Die einzige Möglichkeit, derzeit per Bahn nach Maulbronn zu gelangen, besteht sonntags mit dem Klosterstadt-Express, der vom VCD gegen viele Widerstände organisiert wurde und „Reisen auf den Spuren Hermann Hesses“ umsteigefrei von Tübingen nach Maulbronn ermöglicht. Doch auch hier hat der VCD-Vorsitzende inzwischen den Eindruck, dass dieser Zug in Maulbronn nicht akzeptiert und überwiegend totgeschwiegen wird.